Willkommen in meinem Leben

 

Album, veröffentlicht am 6. April 1981 in Deutschland bei Ariola (Best.-Nr. 203485365) 

 

 

Udo Jürgens stand im Jahr 1981 auf einem der vielen Höhepunkte seiner Karriere. Für das Album „Udo 80“ erhielt er den Deutschen Schallplattenpreis, die kurz zuvor zu Ende gegangene, gleichnamige Tournee war seine erfolgreichste bisher. So ist es nicht verwunderlich, dass er seine Zuhörer begrüßt mit den Worten: „Willkommen in meinem Leben“. Vor genau 40 Jahren erschien am 6. April 1981 das Album mit diesem Titel. Es ist das siebte und letzte Album, welches von Joachim Heider produziert wurde und markiert den Schlusspunkt einer sowohl künstlerisch als auch geschäftlich überaus erfolgreichen Zusammenarbeit. Und wenn auch der Schatten seines Vor-Vorgängers groß ist (dazwischen lang Anfang 1980 noch das hörenswerte Album „Nur ein Lächeln“), verstecken muss es sich ganz und gar nicht. Das Album stieg am 20. April 1981 in die deutschen Charts ein und hielt sich dort für 18 Wochen, dabei erreichte es immerhin Platz 29. 

 

Insgesamt sind 12 Lieder auf dem Album vertreten mit Texten von Wolfgang Hofer (6), Irma Holder (2), Oliver Spiecker (1), Michael Kunze (1), Siegfried Rabe (1) und Fred Jay (1). Diese sind sehr verschieden und abwechslungsreich, wundervoll melodiös und mitreißend rhythmisch, mit futuristischen, folkloristischen und sogar orientalischen Klängen. Sie sind - teils mit opulenten Streichern oder einem kräftigen Bigband Sound - toll arrangiert von Eduardo Lisavetzky und von Heider hervorragend produziert - es handelt sich also um ein Udo Jürgens Album vom Feinsten. Vor allem drei Lieder sind sehr populär geworden, auf diese möchte ich nun genauer eingehen.

 

„Der gekaufte Drachen“ wurde von Udo bei Konzerten seither immer wieder gerne gesungen. Das Lied handelt von einem Sohn, der nicht in die Fußstapfen des Vaters - eines erfolgreichen Firmeninhabers - treten will. Dem Sohn bedeutet der Reichtum nichts, er möchte einfach nur Zeit mit seinem Vater verbringen und gemeinsam einen Drachen bauen, denn für so etwas hat dieser vor lauter Arbeit niemals Zeit. Irma Holder hat den wunderbaren Text zu diesem Lied geschrieben. Ein autobiografisches Lied, welches für Udo sicherlich eine besondere Bedeutung hatte, denn er hat es auf mehreren Tourneen und auch auf seiner letzten im Jahr 2014 gesungen, ist „Ich würd’ es wieder tun“. In dem Lied thematisiert er, dass er immer offen seine Meinung gesagt hat, auch wenn er damit oft angeeckt ist und sich „den Mund verbrannt“ hat. Er blickt zurück auf seinen Weg, ohne Reue, obwohl nicht immer alles glatt verlief. Der Text zu diesem sehr persönlichen Lied stammt von Fred Jay. Am bekanntesten wurde aber sicherlich das Lied „Vielen Dank für die Blumen“, welches als Titellied der TV-Comicserie „Tom & Jerry“ vielen Kindern und ihren Eltern in Erinnerung geblieben ist. Der Text stammt von Siegfried Rabe, dieser hat für Udo auch den Text für das TV-Titellied „Tausend Jahre sind ein Tag“ geschrieben (veröffentlicht auf dem Album „Udo ’80“).

 

Diese drei Lieder wurden nicht als Single veröffentlicht, da hatte man anderen offenbar mehr Erfolg zugetraut. So zum Beispiel „Gaby wartet im Park“. Dieses hat Udo gerne live gespielt, und es handelt sich hierbei um die erste Auskopplung des Albums mit der B-Seite „Willkommen in meinem Leben“, sie wurde bereits Anfang März und damit vor dem Album veröffentlich und erreichte im April 1981 Platz 37 der deutschen Charts. Die zweite Single war dann im Juni „Ich sah nur Sie“ / „Schenk mir noch eine Stunde“, welche am 23. Mai in der ARD-Sendung "Musikladen extra" erstmals dem Fernsehpublikum vorgestellt wurde, sie erreichte im Sommer 1981 noch Platz 51 der deutschen Charts. In dem Lied der A-Seite erzählt Udo - nach einem weiteren Text von Irma Holder - von der Begegnung mit einem Mädchen in Moskau, wo er "nur sie und sonst nichts in dieser fremden Stadt“ gesehen hat. Passend zum Thema ist die Musik mit russisch-folkloristischen Balalaikaklängen untermalt und geht, so der damalige Pressetext, „mit ihrer Melancholie in Herz und Ohr“. Die B-Seite "Schenk mir noch eine Stunde" wurde von Wolfgang Hofer getextet und kommt sehr beschwingt daher. Dieses Lied hat Udo live öfters ins Programm aufgenommen, da konnte das Pepe Lienhard Orchester zeigen, dass es ziemlich gut swingen kann. Der Titel wurde im Jahr 2000 von Udo nochmal in modernem Sound aufgenommen und auf dem Album „Mit 66 Jahren (Was wichtig ist...)“ veröffentlicht, wobei die ursprüngliche Version meines Erachtens die deutliche Bessere ist. Eine tolle Live-Version findet man auf „Open Air Symphony“ von 1992 mit einer fabelhaften Step Dance-Einlage von Billy Todzo, dem Percussionist von Pepe Lienhard. Er war auch Udos Assistent, Fahrer, sein Freund und sein Begleiter beim Spaziergang in Gottlieben am Bodensee an diesem düsteren 21. Dezembertag im Jahr 2014.

 

Die Aufnahmen zu dem Album begannen in der Konzertpause der Tournee „Udo 80“ im Sommer 1980 und das Platten-Inlay zählt nicht weniger als 33 Musiker auf inkl. den Streichern der Deutschen Oper Berlin, die für Udo immer wieder ins Studio gekommen sind. Es wurde also ein ziemlicher Aufwand für das Album betrieben und sicher nicht an Kosten gespart und ich finde, das hört man. Das ganze Album hat einen tollen und abwechslungsreichen Sound und zeigt eine enorme Vielfalt und Kreativität. Gemischt wurde es schließlich im Januar 1981 von Michael Zimmerling in den Berliner Hansa Studios, die Portraitaufnahmen für das Plattencover und die Singles stammen von Udos Bruder, dem Fotografen und Maler Manfred Bockelmann. Im September 1997 wurde das Album im Zuge der digitalen Wiederveröffentlichung älterer Alben als CD herausgebracht und heute ist es natürlich zum Download und Stream erhältlich.

 

Weniger bekannt, aber absolut hörenswert sind „Okay“, das Lied einer Trennung (Anstoß war seine eigene Trennung von Nina Viereck, als er mit seiner späteren Frau Corinna Reinhold zusammenkam) mit der Hoffnung, dass man mit Achtung und als Freunde auseinandergehen mag, ohne Streit und Verletzungen sowie „Auf der Suche nach mir selbst“, welches wohl sehr autobiographisch und ehrlich geraten ist. Und „Atlantis“ ist ein Lied, welches die Hoffnung an eine bessere Gesellschaft zum Thema hat, die in Freiheit lebt, wo alle Menschen gleich sind und Geld nicht bedeutend ist, wo Frieden und Gemeinsamkeit über allem stehen - ein Lieblingsthema von Udo. Wie weit sind wir noch heute von dieser Utopie entfernt...

 

Für Fans Interessant: das Album erschien 1981 auch in der Deutschen Demokratischen Republik, allerdings ohne das Lied „Ich sah nur sie“, in welchem außer dem Mädchen die Stadt und die Menschen an sich nicht besonders gut wegkommen - womöglich war dieser kritische Kommentar am „großen Bruder“ zum Ende des Liedes der Grund für die Zensur in der DDR.

 

Text: Daniel Speck

 

 

Titelliste:

 

Willkommen in meinem Leben
Der gekaufte Drachen
Schenk mir noch eine Stunde
Ich sah nur sie
Was wär diese Welt ohne Lieder
Atlantis
Gaby wartet im Park
Okay
Vielen Dank für die Blumen
Auf der Suche nach mir selbst
Kairo bei Nacht
Ich würd es wieder tun