Peace and Love! Was fällt einem heute zu den 1970er Jahren als erstes ein? Natürlich Flower Power und die Friedensbewegung, die als Antwort auf den Vietnamkrieg entstand. Die Hippies mit psyche-delischer Musik, Drogen und sexueller Freizügigkeit. Die Mode war bunt in den Siebzigern und ebenso bunt kommt auch das Album von Udo Jürgens aus dem Jahr 1973 daher - ES IST ZEIT FÜR DIE LIEBE hieß es...

Der Musikproduzent und -verleger Ralph Siegel wird 1973 Produzent von Udo Jürgens und bis 1975 entstanden in dieser Zusammenarbeit insgesamt fünf Alben und manche großen Hits, wie GRIECHISCHER WEIN oder EIN EHRENWERTES HAUS. Siegels Vater, Ralph Maria Siegel, der ebenfalls Musikverleger war, hatte Udo Jürgens in den 1960er Jahren gewissermaßen entdeckt. Udo lebte damals mit dem Fotomodell Erika Meier, genannt Panja, und dem Sänger Frank Forster zusammen in einer WG in München Schwabing. Forster stelle Udo dem Verleger vor und Siegel war begeistert. Es war ein Aufeinandertreffen mit Folgen, denn durch die Vermittlung von Ralph Maria Siegel kam es dazu, dass Shirley Bassey REACH FOR THE STARS aufnahm und zum Welterfolg machte, für Udo war es der eigentliche Beginn seiner Karriere.

München war in den 1960er und 70er Jahren der Mittelpunkt der deutschen Musikszene und Udo Jürgens schaffte seinen Durchbruch vom mittellosen Künstler zum Superstar während er dort lebte. Die Stadt hatte für Udo in mehrerlei Hinsicht eine große Bedeutung. Ralph Siegel erzählt in seiner 2015 erschienenen Autobiografie eine Anekdote, die im Münchener Jazzclub „Domicile“ spielt. Der Manager von Udo Jürgens, Hans H. Beierlein, soll dort dem Nachtclubbesitzer Tommy Hörbiger den Tipp gegeben haben, Texte für Udo zu schreiben. Er riet ihm Worte zu verwenden, in denen möglichst oft der Buchstabe „i“ vorkommt, denn Udo würde solche Wörter gerne singen. Heraus kamen dann Hits wie MERCI CHÉRIE oder SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR. Ein anderes Münchener Jazzlokal spielte eine noch größere Rolle im Leben von Udo Jürgens, denn im „Hot Club“ unter dem Augustinerkeller lernte er 1959 Panja kennen. Sie heirateten 1964 und ihre beiden Kinder John und Jenny wurden kurz darauf geboren, die Familie lebte bis 1968 in Vaterstetten in der Nähe von München. Udos Sohn wohnt noch heute dort und ist ein erfolgreicher DJ mit dem Künstlernamen John Munich.

Sein Manager Beierlein brachte Udo mit dem damals noch wenig bekannten Texter Michael Kunze zusammen und es war der Beginn einer langen und, wie Kunze später sagte, sehr respektvollen und harmonischen Zusammenarbeit. Kunze hat dabei über einhundert Texte für Udo geschrieben und mit DER TEUFEL HAT DEN SCHNAPS GEMACHT fing alles an. Das Lied wurde als A-Seite der Single zum Album ausgewählt und erreichte Platz 11 der deutschen Charts. Udo stellte das Lied in der TV-Sendung Disco am 27.10.1973 vor.

Als ich in meiner Kneipe saß,

kam ein Mädchen durch die Tür.

Sie sah erst mich und dann mein Glas,

und setzte sich zu mir.

Sie sagt, sie sei von der Heilsarmee

und kann mich nicht versteh'n.

Denn sie sah schon manch' braven Mann

hier vor die Hunde geh'n.

Der Teufel hat den Schnaps gemacht

um uns zu verderben.

Ich hör' schon wie der Teufel lacht,

wenn wir am Schnaps einmal sterben.

Das Lied bekam 1978 einen neuen Text und wurde auf Udos größtem kommerziellen Erfolg, dem Album zur Fußball WM 1978 - BUENOS DIAS ARGENTINA neu veröffentlich. Es hieß dann DER TEUFEL HAT DEN STRAPS GEMACHT. Von Michael Kunze stammten vier Texte für das Album, am wenigsten bekannt ist sicherlich das Lied ER ODER SIE. Es kommt sehr rockig daher und handelt von Künstlern wie David Bowie oder Alice Cooper, bei denen man nicht genau weiß, ob sie die Rolle als Mann oder Frau einnehmen, wenn sie mit Klischees spielen oder Lack und Leder tragen. In dem etwas verrückten Lied – die Musik wurde von Ralph Siegel geschrieben -  kommen unter anderem die Wortschöpfungen Schwubbediwup, Schickedischick und Rockedirock vor.

Die Lieder des Albums wirken etwas zusammengewürfelt und ein Grund dafür war sicherlich, dass Udo Jürgens nach seiner großen Europatournee 1972/73 noch einige Auftritte in Japan absolvierte und so nicht sehr viel Zeit zum Komponieren hatte. Auch drückte der Produzent Ralph Siegel - dieser hat am selben Tag Geburtstag wie Udo Jürgens, ist aber 11 Jahre jünger - dem Album seinen Stempel auf und steuerte selbst mehrere Lieder bei. Sie sind aber durchaus gelungen und schön anzuhören. Udo stellte im Herbst 1973 mehrere Lieder in TV-Sendungen wie Disco oder der Starparade vor und machte so Promotion für sein neues Album, es konnte sich aber nicht in den Charts platzieren. Eines der Lieder, die Ralph Siegel komponiert hat ist das Titellied des Albums - ES IST ZEIT FÜR DIE LIEBE. Zu diesem hat Udo Jürgens einen seiner stärksten Texte geschrieben...

Es ist Zeit für die Liebe

Für den Glauben an morgen

Für die Freude, die Hoffnung und das Licht

Es ist Zeit für die Liebe

Es ist Zeit für das Leben

Was ab heut' uns erfüllt ist Zuversicht

Je mehr die Welt uns auch bedroht

Je mehr man spricht von Schmerz und Not

Je mehr man uns vernichten will

Je mehr ist Liebe unser Ziel

Ungewöhnlich ist, dass Udo ganze fünf Texte selbst schrieb, wo er doch diese Arbeit sonst lieber professionellen Textdichtern überließ und seine Stärke im Komponieren sah. Unter diesen Liedern ist der Titeltrack ES IST ZEIT FÜR DIE LIEBE mit Musik von Ralph Siegel. Das bekannteste selbst getextete Lied und das schönste davon auf dem Album ist sicherlich EIN NARR SAGT DANKE SCHÖN, welches er auf den Tourneen 1978 und 2004 gesungen hat und auf den Live-Mitschnitten dokumentiert ist. Außerdem wurde es in der Sammlung LIEDER DIE IM SCHATTEN STEHEN auch digital veröffentlich und ist heute zum streamen verfügbar.

Ein Narr sagt dankeschön, 

es ist jetzt Zeit für mich, um zu erkennen,

daß mir die Schminke nicht mehr steht,

drum laß mich langsam ziehn, 

ich weiß auch schon wohin.

Ich schlend're endlich hin zum gold'nen Tor,

durch das die Freiheit weht.

Und wenn ich vor ihm steh', 

dann stoß' ich's kräftig auf

und renn' hinaus in diese unbekannte Welt

und tue alles das, wovon ein Narr so träumt.

Insgesamt vier Lieder wurden von Udo Jürgens nur interpretiert, Musik und Text stammen hier nicht von ihm. Darunter sind die B-Seite der Single, DAS LIED DAS NIE ZU ENDE GEHT und ICH BIN NUR EIN MENSCH. Bei beiden ist die Musik von Ralph Siegel und der Text von Kurt Hertha. Hertha war ein  sehr erfolgreicher deutscher Textdichter und Komponist. Er hatte seinen Durchbruch mit dem Schlager TANZE MIT MIR IN DEN MORGEN und aus seiner Feder stammen auch Lieder wie GANZ IN WEISS und DU KANNST NICHT IMMER SIEBZEHN SEIN. Hertha setzte sich aber neben seiner kreativen Arbeit auch im Aufsichtsrat der GEMA für die Belange seiner Musikerkollegen ein.

Das Schlusslied des Albums ist SCHON MORGEN ZIEH ICH WIEDER LOS. Auch dieses hat Udo Jürgens komplett selbst geschrieben und mit einem englischen Text, der auch von Udo stammt, wurde es im gleichen Jahr als TOMORROW auf dem Album LETS SING UDO veröffentlicht. Es ist in 1973 sowohl als Single als auch auf dem Album NEW WORLD OF UDO JÜRGENS in Japan erschienen, wo Udo Anfang der siebziger Jahre sehr erfolgreich war.

Die Aufnahmen zu dem Album entstanden im September 1973 mit Toningenieur Peter Kramper im Union-Studio in München, wo damals viele Schlagerproduktionen aufgenommen wurden, aber später auch internationale Künstler ein- und aus gingen, darunter Supertramp, Queen oder Deep Purple. Produziert wurde das Album von Ralph Siegel für Montana, den Musikverlag von Udos Manager Hans R. Beierlein. Arrangeure waren wieder Boris Jojic und auch Ralf Nowy, der sehr viel für Ralph Siegel arbeitete.

Die Grafikkonzeption des Albums stammte wieder von Manfred Vormstein unter Mitwirkung von Matthias Kortemeier. Die Schallplatte hatte ein hochwertiges Klappcover mit einer über 6 Seiten reichenden Fotogeschichte, die Fotos wurden von dem französischen Fotograf Gérard Bousquet gemacht. Sie zeigen Udo Jürgens und seine kleine Tochter Jenny auf dem Fahrrad bei einer Ausfahrt in die Natur. Jenny sitzt auf dem Lenker des Fahrrads, Udo zugewandt, und hält einen Strauß frisch gepflückter Blumen in der Hand. In Sprechblasen mit Text von Eckart Hachfeld führen die beiden eine Unterhaltung, warum der Löwenzahn wohl Löwenzahn heißt. Die Fotos zeigen ein Familienglück, welches bei dem vielbeschäftigten Künstler, der viel auf Tourneen und ständig unterwegs zu Auftritten war, nur selten gelang. Udo war in der Erinnerung seiner Kinder aber immer sehr liebevoll, wenn er mit der Familie Zeit verbringen konnte.

Fazit: Ein buntes und etwas zusammengewürfeltes Album ohne den großen Megahit, aber dennoch mit vielen schönen Liedern. Einige Lieder des Albums sind bis heute nicht digital erschienen, manche aber in der Sammlung LIEDER DIE IM SCHATTEN STEHEN aus diesem zu Recht ins Licht geholt worden.

Anspieltipps: Wir müssen lernen, Es geht auch ohne Dich sehr gut, Ein Narr sagt Dankeschön

Text: Daniel Speck