Buenos Dias Argentina
Album, veröffentlicht im März 1978 in Deutschland bei Ariola (Best.-Nr. 25888XT)
Eine Fußballweltmeisterschaft ist ein ganz besonderes Ereignis, schon weil sie nur alle vier Jahre stattfindet. Besonders sind auch die Emotionen der vielen Menschen, die schon lange auf die WM und die Spiele ihrer Mannschaft hinfiebern, während sich langsam aber sicher eine WM-Stimmung im ganzen Land aufbaut. Man braucht nicht viel Geschäftssinn um sich vorzustellen, dass dies eine besondere Gelegenheit ist, die Vorfreude in klingende Münze umzuwandeln. Schon zur WM 1974 in Deutschland wurde der Komponist und Produzent (und ehemalige Fußballspieler) Jack White von dem überaus geschäftssinnigen damaligen Manager von Udo Jürgens, Hans R. Beierlein beauftragt, ein Lied zur Fußball-WM zu schreiben. Aus dem Lied „Fußball ist unser Leben“ wurde eine ganze Schallplatte unter Mitwirkung der Spieler der Nationalmannschaft - die erste einer Tradition bis in die neunziger Jahre. Ihr Charterfolg war mäßig, auch wenn der Titelsong einen gewissen Kultstatus erreicht hat und 2006 in einem Remix zur WM in Deutschland neu herausgekramt wurde. Die WM 1974 wurde damals im eigenen Land gewonnen, das weiß natürlich jeder. Wer aber weiß, dass auf der LP damals mit „Zeig mir den Platz an der Sonne“ als Instrumentalversion auch ein Udo Jürgens-Song enthalten war? Der sportliche Erfolg lässt sich bei einem Weltmeister nicht mehr steigern, aber chartmäßig war da noch „Luft nach oben“...
Nach einigen Wochen des Komponierens und Herumfeilens mit den Textern waren Ende Oktober 1977 die Vorbereitungen größtenteils abgeschlossen und am 8. Januar 1978 konnte Udo Jürgens mit einigen Spielern der Deutschen Fußball Nationalmannschaft im Kölner Sound Studio N eine Schallplatte aufnehmen, die zu dem größten Erfolg seiner Karriere werden sollte. Schon drei Monate später trat Udo mit dem Titellied „Buenos Dias Argentina“ in der ZDF-Fernsehsendung „Das aktuelle Sportstudio“ auf. Mitte März stieg das Album in die deutschen Charts ein, deren Spitzenplatz es Mitte April erreichte. Es ist das erste (und letzte) Studioalbum, mit welchem Udo Jürgens dies schaffte. Es verkaufte sich über eine Million Mal wofür Udo nach 5 Wochen eine Goldene und nach zwei Monaten eine Platin Schallplatte verliehen bekam.
Udo sagte damals „Das Thema ‚Fußball’ interessiert Millionen Menschen auf der ganzen Welt, insbesondere im Hinblick auf diese Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien. Warum sollte ich über diesen weltumspannenden Sport keine Lieder schreiben können, fröhliche aber auch ernsthafte...“. Jürgens besprach das Thema „Fußball“ und „WM in Argentinien“ mit seinen Textdichtern Michael Kunze, Wolfgang Hofer und Eckart Hachfeld. Sie entwickelten 30 Ideen von denen die 14 besten für die LP ausgewählt wurden.
Udo Jürgens produzierte die Platte zusammen mit Joachim Heider und 24 Spieler sowie der Trainer-Assistent Jupp Derwall bildeten den „teuersten Chor der Welt“ - so die damalige Presseinfo - für Udo. Dieser berichtete von den Aufnahmen, dass die Spieler mit Begeisterung, Disziplin und voller Kehle bei der Sache gewesen seien. Im Vorfeld bekamen sie Cassetten mit den Playbacks sowie die Texte zum Üben. Nach sechs Stunden waren die Aufnahmen beendet und Kapitän Berti Vogts meinte, „Udo Jürgens und seine Texter haben phantastisch gearbeitet“. Die Stimmung im Studio und bei dem Fototermin mit 50 Journalisten scheint - unterstützt durch Sekt und Kölsch-Bier - sehr gut gewesen zu sein. Arrangiert wurden die Lieder von Uli Roever und Tonmeister war ein gewisser Peter Wagner, der ab Mitte achtziger Jahre dann alle Alben von Udo Jürgens produzieren sollte.
Die ausgekoppelte Single „Buenos Dias Argentina“ (und „Er hält den Ball“ auf der B-Seite) hielt sich für 18 Wochen in den deutschen Charts und erreichte Platz 3. Das Album blieb vier Wochen auf dem Spitzenplatz und insgesamt 20 Wochen in den Charts. Nach der WM und besonders nach dem Ausscheiden der Deutschen Mannschaft noch in der Vorrunde (gegen Österreich mit einem 2:3 in der ‚Schmach von Córdoba’ nach Eigentor von Berti Vogts) klang das Interesse dann aber schnell ab. Das Lied „Buenos Dias Argentina“ wurde in den USA von Marty Robbins gecovert und schoss in den Country Charts nach oben. Jürgens bekam als Songwriter dafür 1980 in Hollywood den Country Music Award - "Eine Sternstunde im Leben eines Musikers".
Der Trainer-Assistent Jupp Derwall war damals designierter Nachfolger von Helmut Schön, dem erfolgreichsten Bundestrainer der deutschen Geschichte. Schön hatte seinen Abschied schon im Jahr vor der WM angekündigt und so konnte Udo Jürgens sein sehr persönliches Abschiedslied „Der Mann mit der Mütze“ komponieren. Es ist das vorletzte Lied des Albums und wurde nach der WM als weitere Single ausgekoppelt (mit „Ein Fußballstar kennt keinen Schmerz“ auf der B-Seite). Helmut Schön wurde im November 1978 vom DFB vor einem Länderspiel offiziell verabschiedet.
Daneben sind noch 14 weitere Lieder enthalten, darunter das Titellied in einer deutschen und einer spanischen Version. Besungen wird außerdem die Angst des Schützen vorm Elfmeter in gleich zwei Liedern: zum einen in „Elfmeter“ (kommentiert vom Reporter Heribert Faßbender) und „Wer hat das Tor so klein gemacht?“. Dann folgend zwei bekannte Lieder von Udo mit einem fußballerisch veränderten Text: „Es darf gelacht werden“ und „Aber bitte mit Sahne“. Etwas ernster und nachdenklicher sind „Wer spricht schon vom Verlierer“, „Das Spiel ist aus“ und „Ein Fußballstar kennt keinen Schmerz“. Auf lustige Weise wird das „Fußball-Ballett“ besungen und der Alkoholkonsum (vermutlich sind die Fans gemeint, oder doch eine Mahnung an die Spieler...?) in „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“, einer Neuaufnahme des Liedes von 1973.
Thematisiert wird mit einem Augenzwinkern auch das Verhältnis der Spieler zu ihren Spielerfrauen in „Er hält den Ball“ und „Denk an mich, kleines Mädchen“ sowie die Athletik der Spieler in „Wer hat schon solche Beine?“. Musikalisch ist dies nicht übermäßig anspruchsvoll, aber das war auch vielleicht nicht das Ziel. Udo sagte damals zu den Journalisten „Ich glaube, wir haben ein Produkt geschaffen, für das wir uns in keiner Weise zu schämen brauchen“ und er hatte sicher Recht - man kann sich das Album durchaus vom Anfang bis zum Schluss anhören und wird vielleicht überrascht sein, mit welcher Vielseitigkeit das Thema Fußball hier behandelt wurde. Leider ist das Album trotz seines Erfolges nie auf CD erschienen - das Interesse wäre heute vermutlich aber auch nicht mehr so groß wie damals. Dennoch ist es zur Würdigung des Werkes von Udo Jürgens sicherlich angebracht, diese Aufnahmen in das digitale Zeitalter zu überführen.
Das Cover des Albums ziert ein Foto von Udo und den Spielern sowie im Vordergrund ein Fußball mit den Autogrammen der Spieler und
die offizielle Weltmeisterschaftsmedaille des „FIFA World Cup Argentina ’78“’. Auf der Rückseite sind mehrere Fotos von den Aufnahmen im Tonstudio zu sehen und Grußworte vom damaligen
DfB-Präsidenten Hermann Neuberger und den Ehrenspielführern der Nationalmannschaft Fritz Walter und Uwe Seeler. Auf dem Platten-Inlay sind der WM-Spielkalender 1978 sowie die Mannschaftsaufstellungen
der WM-Endspiele 1954 und 1974 abgedruckt mit den damaligen Torschützen beider Länder. Deutschland gewann bekanntlich beide Endspiele, der dritte WM-Sieg musste aber noch bis 1990 auf sich warten.
Dann war auch Udo Jürgens wieder mit dabei und es entstand das Album „Sempre Roma“, aber davon ein andermal...
Das Honorar spendeten die Spieler dem DFB für die Förderung des Jugend- und Schulfußballs. Nicht bei den Aufnahmen dabei waren neben dem Bundestrainer - er war zu diesem Zeitpunkt wohl in Mexiko -
auch Franz Beckenbauer und Paul Breitner. Ein weiterer Spieler musste krankheitsbedingt absagen. Ansonsten war die Nationalmannschaft komplett mit: Heinz Flohe (1. FC Köln), Dieter Müller (1.
FC Köln), Herbert Neumann (1. FC Köln), Herbert Zimmermann (1. FC Köln), Berti Vogts (Borussia Mönchengladbach), Rainer Bonhof (Borussia Mönchengladbach), Rudi Kargus (Hamburger SV), Georg Volkert
(Hamburger SV), Manfred Kaltz (Hamburger SV), Sepp Maier (Bayern München), Hans Georg Schwarzenbeck (Bayern München), Karl-Heinz Rummenigge (Bayern München), Erich Beer (Hertha BSC), Rudi Seliger
(MSV Duisburg), Berhard Dietz (MSV Duisburg), Bernd Franke (Eintracht Braunschweig), Bernd Hölzenbein (Eintracht Frankfurt), Manfred Burgsmüller (Borussia Dortmund), Wolfgang Seel (Fortuna
Düsseldorf), Dieter Burdenski (SV Werder Bremen), Klaus Fischer (FC Schalke 04), Rolf Rüssmann (FC Schalke 04), Rüdiger Abramczik (FC Schalke 04), Hans Bongartz (Schalke 04).
Medien wie der «Stern» berichteten in Deutschland sehr kritisch über die geplante WM in Argentinien, denn in dem Land herrschte seit 1976 eine Militärdiktatur. Amnesty International berichtete, dass tausende Regimegegner gefoltert würden oder verschwunden seien. Doch die FIFA schaute darüber hinweg. Das WM-Finale fand sogar nur wenige hundert Meter von einem ehemaligen Folterzentraum der Junta statt. Viele Spieler stellten damals den Sport in den Vordergrund und überließen den Rest der Politik, sie machten es sich damit sehr einfach. Aber es gab auch andere Stimmen und Paul Breitner positionierte sich damals am deutlichsten: „Verweigert den Generälen den Handschlag“, forderte er von seinen Fußballkollegen. Heute könnte eine WM vor solch einem Hintergrund wohl nicht mehr stattfinden. Aber die Kommerzialisierung des Fußballs wird uns noch in diesem Jahr eine „Winter-WM“ bescheren, mit einem Endspiel sechs Tage vor Weihnachten - und das trotz der bedrückenden Menschenrechtslage in dem Gastgeberland Katar. Nicht nur viele Fans blendeten schon 1978 die düsteren Berichte und Bilder aus. Auch die Spieler drückten beide Augen fest zu als sie damals in einem der Lieder sangen „Es darf gelacht werden und Spaß gemacht werden - Ernst ist ohnehin so viel“ und Udo selbst sang romantisch verklärt „Buenos Dias Argentina! So heißt meine Melodie - Und sie soll uns zwei verbinden - Mit dem Band der Harmonie“.
Text: Daniel Speck (2022)
Titelliste
Buenos Dias Argentina (Deutsche Version)
Elfmeter
Wer hat das Tor so klein gemacht?
Es darf gelacht werden
Aber bitte mit Sahne
Wer spricht schon vom Verlierer
Das Fußball-Ballet
Das Spiel ist aus
Er hält den Ball
Denk' an mich, kleines Mädchen
Wer hat schon solche Beine?
Der Teufel hat den Schnaps gemacht
Ein Fußballstar kennt keinen Schmerz
Der Mann mit der Mütze
Buenos Dias Argentina (Spanische Version)